Die Kirchweih: Gedanken aus kirchlicher Sicht

Ein Beitrag zur Nirreräirer Kerb 2023

Die Sankt Matthias Kirche im Altort von Nieder-Roden. ©Bernhard Koser

Ein Haus voll Glorie schauet
weit über alle Land,
aus ewgem Stein erbauet
von Gottes Meisterhand,
Gott, wir loben dich, Gott wir preisen dich.
O lass im Hause dein
uns all geborgen sein.“

Gesangbuch Gotteslob Nr. 478

Mit diesem Lied beginnt am Kerbsonntag das feierliche Hochamt in unserer Kirche St. Matthias. Die Gemeinde singt es mit Inbrunst und großer Freude. Orgel und Kirchenchor stimmen in den Jubelgesang mit ein. Viele Gläubige sind da, auch solche, die sonst nicht regelmäßig zum Gottesdienst kommen.

Es ist Kerb!

Auch die Kerbmädchen und Kerbburschen sind dabei. Sie knien in den vorderen Bänken und tragen ihre Festkleidung. Ihnen gebührt Respekt. Schon am Freitag haben sie nach einem Umzug durch den Altort den bunt geschmückten Kerbbaum mit dem Segen des Pfarrers im Garten des Pfarrheimes aufgestellt. Die Nacht zum Sonntag feierten sie mit ihren Gästen auf dem Platz neben der Kirche.

Kerb oder Kirchweih ist einer der Höhepunkte im Kirchenjahr und ein besonderes Fest in der Nieder-Röder Gemeinde. Wir feiern unsere Kirche, sowohl das Bauwerk, die Kirche St. Matthias, als auch die Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen in der Nachfolge Jesu.

Wir bewundern beim Kirchweihfest staunend die Leistung unserer Vorfahren, die in den Jahren 1895/96 dieses wunderbare Gotteshaus gebaut haben. Zu dieser Zeit lebten in Nieder-Roden 1317 Katholiken und 15 Protestanten. Wenn man bedenkt, dass die meisten dieser Leute ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit auf dem Feld und in der Fabrik verdienten und nur ein geringes Einkommen hatten, weiß man, welche Opfer gebracht werden mussten, um ein solches Bauwerk zu errichten und zu finanzieren. Es war ihnen aber offenbar der Mühe wert. Treibende Kraft des Kirchneubaues war der damalige Pfarrer Heinrich Nolda. In seiner zwanzigjährigen Amtszeit hat er ohne Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand seine ganze Kraft für den Kirchbau eingesetzt. Er sammelte persönlich in ganz Hessen Spenden, um die Finanzierung sicherzustellen. Bei seinem Tod am 20.11.1908 hinterließ er den Nieder-Rödern eine schuldenfreie Kirche und zudem das neugebaute Schwesternhaus mit Kindergarten und Pfarrsaal. Er wurde in einer Gruft vor dem rechten Seitenaltar in seiner Kirche beigesetzt.

Das Hauptschiff mit Blick auf den Hochaltar. ©Bernhard Koser

Erwähnenswert in diesen Zusammenhang ist die ökumenische Nachbarschaftshilfe beim Bau der Kirche. Die protestantischen Bauern aus Dudenhofen halfen mit ihren Pferdegespannen beim Transport des Baumaterials. Bei der Feier zur Grundsteinlegung nahmen sie mit ihrem Pfarrer teil.

Es ist zu vermuten, dass das Lied „Ein Haus voll Glorie schauet“ schon bei der Einweihung der Kirche am 27.9.1896 gesungen wurde, denn es wurde schon 20 Jahre vorher von dem Jesuitenpater Joseph Mohr getextet und komponiert und erlangte in den katholischen Gemeinden schnell Zuspruch. Der Verfasser musste sich allerdings in den Jahren der Entstehung des Liedes im Ausland aufhalten, da aufgrund des Bismarckschen Kulturkampfs der Jesuitenorden im deutschen Reich verboten war. Die Not und Bedrängnis, in der sich die katholische Kirche damals befand, kommen in dem von Pater Mohr verfassten ursprünglichen Liedtext zum Ausdruck. „Wohl tobet um die Mauern der Sturm in wilder Wut, das Haus wird’s überdauern, auf festem Grund es ruht,“ hieß es in der 3. Strophe. Es sollte den katholischen Gläubigen Mut und Zuversicht zugesprochen und das Selbstbewusstsein gestärkt werden.

Nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurde der Text von Joseph Mohr als überholt angesehen und durch einen neuen Text ersetzt, wobei die erste Strophe und die gefällige, hymnische Melodie beibehalten wurden. Hans W. Marx schrieb 1975 die Strophen 3 bis 5 neu und richtete den Blick auf die Kirche als wanderndes Gottesvolk. Aus dem „Haus voll Glorie“ wurde ein „Zelt Gottes“. So heißt es in der 4. Strophe: „Seht Gottes Zelt auf Erden! Verborgen ist er da; in menschlichen Gebärden, bleibt er den Menschen nah…“.

Figur des Schutzpatrons der katholischen Kirche Nieder-Rodens, dem heiligen Matthias, an der Frontseite des Kirchenbaus von 1896. ©Bernhard Koser

Seit dieser Textänderung sind wieder fast 50 Jahre vergangen. Die Kirche befindet sich wieder in einer Zeit des Umbruchs. Neue Sichtweisen auf das Bild der Kirche in unserer Gesellschaft werden erörtert. Reformen und Veränderung der Strukturen werden angemahnt. Die erforderlichen Maßnahmen wurden eingeleitet, der Diskussionsprozess ist in vollem Gange. Die Zuversicht ist groß, dass die Kirche gestärkt aus diesem Wandlungsprozess hervorgehen wird. Wie genau die neuen Strukturen aussehen werden, vermag heute noch niemand zu sagen. Mit Mut und Gottvertrauen arbeiten die Gläubigen in den Pfarrgemeinden an der Lösung der Probleme. Der Erfolg wird davon abhängen, wie wichtig uns allen die Kirche im Allgemeinen und in Nieder-Roden im Besonderen ist. Lassen wir uns von der gleichen Begeisterung leiten, mit der unsere Vorfahren den Bau unserer schönen Kirche St. Matthias bewerkstelligt haben.

Mit diesem positiven Ausblick wünschen wir allen Nieder-Rödern eine fröhliche Kerbfeier.


Text und Abbildungen: Pfarrgemeinde St. Matthias Nieder-Roden – Bernhard Koser


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